Verschwunden von der Erde

Die Deportationen der Roma aus Frankreich und Belgien und der Transport Z.

Die Deportation der Zigeuner: Der Wille des Staates die „Nomaden“ zu überwachen und in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken

Seit 1895 bemühte sich die französische Republik darum, die Wandernden, die über dem Land verteilt waren, zu zählen, um sie letztlich besser überwachen zu können. Das führte zur Einführung einer diskriminierenden Gesetzgebung. Das Gesetz vom 16. Juli 1912 führte zwangsweise den individuellen anthropometrischen Ausweis für alle Wandernden nach dem vollendeten 13. Lebensjahr ein. Er enthielt Größe, Fingerabdrücke und Fotos (Vorder- und Seitenansicht). Die Ausstellung und Kontrolle wurde der Polizei übergeben. Das von den republikanischen Machthabern verfolgte Ziel war, die Sesshaftigkeit derer, die als Marginale und potentiell Gefährliche für die öffentliche Ordnung wahrgenommen wurden, zu erreichen.

Auch in Belgien mussten die Wandernden mit einem Ausweis .(Zigeunerausweis) ausgestattet sein und sie wurden angehalten, diesen bei der monatlichen Kontrolle der Gendarmerie zu präsentieren.

Im Zusammenhang mit dem „Sitzkrieg“ 1 (drôle de guerre) verbot der Erlass vom 6. April 1940 den Zigeunern die Bewegungsfreiheit auf dem gesamten Gebiet Belgiens. Sie wurden somit einem Wohnortzwang unter der Kontrolle der Polizei und der Gendarmerie unterzogen.

Mehrere Hundert Zigeuner lebten 1940 in Nord und Pas-de-Calais. Es handelte sich um Halbsesshafte, die an dem Rand der Städte lebten, etwa in Frévert, Hénri-Liétard, Douai oder auch Roubaix. In Anwendung der Verordnung vom 4. Oktober 1940, die die Internierung der „Juden ausländischer Rasse“ erlaubte, gab die Regierung von Vichy am folgendem Tage das erste Statut für die Juden bekannt und entschied auch die Internierung aller Zigeuner in den besetzten Zonen von Paris und in den freien Zonen. Die Deutschen profitierten von diesen „Glücksfall“: sie bauten die Lager und überließen die Verwaltung den Franzosen. Die Maßnahme wurde nicht in der „angeschlossenen Zone“ des militärischen Befehlsbereich von Brüssel angewendet.

 

Die Massenverhaftungen von Zigeunern
(Oktober bis Dezember 1943)

Die deutsche Militärkommandantur für Belgien und den Nordfrankreich haben keine weiteren Maßnahmen rassistischer Art gegen die Zigeuner vor dem Herbst 1943 vorgenommen; die nationalen Verordnungen und die polizeilichen Kontrollen reichten aus. Die Zigeuner, schon immer verdächtig, waren dennoch das Ziel deutscher Schikanen im Rahmen der militärischen Sicherheitsmaßnahmen. So wurde am 12. November 1940, wie auch für die Juden, ihre Anwesenheit in der „roten Zone“ der Küste verboten, die als Kampfgebiet erklärt war.

Im Deutschen Reich begannen die Deportationen nach Auschwitz am 16. Mai 1940. Sie wurden dort in einem Speziallager interniert, das vom Rest der Organisation des KZs isoliert war.

In Vichy-Frankreich verstärkte ein Rundschreiben vom 15. März 1943 von René Bousquet, Generalsekretär der Polizei in Vichy, die Personenkontrollen der Nichtsesshaften , die noch nicht in Lagern untergebracht waren.

Am 15. März 1943 gab Berlin den Befehl, die Zigeuner aus den Niederlanden und aus der Militärkommandantur in Brüssel zu deportieren. Die ersten Massenverhaftungen von Zigeunern, die von der deutschen Militärpolizei durchgeführt wurden, fanden in Belgien am 22. Oktober statt; sie betrafen Tournai, Hasselt und die Umgebung von Brüssel.

Zwischen dem 22. November und dem 15. Dezember 1943 führte die Gestapo von Lille und die Feldgendarmerie eine Reihe von Verhaftungen in mehreren Lagern in Nord und Pas-de-Calais (Hénin-Liétard, Frévent, Douai, Arras) unter der Vorgabe der „Arbeitsverweigerung“ durch: 158 „Nomaden“, davon 57 Frauen und 53 Kinder unter 15 Jahren, wurden im Gefängnis von Loos festgehalten und dann in Lastwagen nach Malines überführt. Die Deutschen hatten den Vorteil, die Listen und die Unterstützung belgischer und französischer Gendarmerien benutzen zu können.


Der Transport Z (15.-17. Januar 1944)

Die Verhafteten Zigeuner in Nord-Pas-de-Calais und in Belgien blieben unter beklagenswerten hygienischen und alimentären Bedingungen einen Monat lang in der Kaserne Dossin in Mechelen/ Malines (Belgien). 351 Personen wurden am 15. Januar 1944 mit dem Transport Z („Z“ für Zigeuner in deutsch) deportiert. Am gleichen Tag mit dem gleichen Zug fuhr der 23. Konvoi, der in Malines für die Juden zusammengestellt wurde, ab.

Bei ihrer Ankunft in Auschwitz am 17. Januar wurde alle Deportierten des Transports Z erfasst. Der größte Teil wurde in das „Familienlager“, das im Bereich von Birkenau extra eingerichtet worden war, eingeschlossen. Die Überlebensbedingungen waren entsetzlich.


Porträts, Silhouetten, Identitäten

Die Identitäten der 351 Deportierten des Transports Z, zum größten Teil „Verschwunden von der Erde“ zwischen dem 15. Januar 1944 und dem 8. Mai 1945, wurden rekonstruiert: Die Namen, die Vornamen und das Geburtsjahr und ihr Geschick am 8. Mai 1945. Fast alle waren durch die Deportation umgekommen; nur eine winzige Minorität hat überlebt.

Die Deportierten wurden nach der deutschen Transportliste zusammengestellt. Die Orthografie der Namen ist die der deutschen Liste; sie ist manchmal fehlerhaft.

Die präsentierten Fotos einiger Deportierten des Transports Z wurden auf Grund von Recherchen in den Archiven und von Familie von Überlebenden wiedergefunden. Die meisten stammen aus Dossiers der Ausländerpolizei, die in den Archives générales du Royaume de Belgique konserviert sind.
Die Silhouetten kennzeichnen die, von denen wir keine Fotos haben: Männer, Frauen, Jungen unter 15 Jahren, Mädchen unter 15 Jahren, Babys unter einem Jahr.


Das Schicksal der Zigeuner des Transport Z vom 15. Januar 1944 von Malines nach Auschwitz

351 Deportierte, 335 Tode (das sind 95,4 %)

Die 351 Deportierten des Transports Z wurde alle bei ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau registriert:

1 Sitzkrieg, früher auch Seltsamer Krieg (französisch Drôle de guerre („komischer, drolliger Krieg“), englisch Phoney War) beschreibt den Umstand, dass im Zweiten Weltkrieg zwar Großbritannien und Frankreich gemäß der Britisch-französischen Garantieerklärung am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärt hatten, aber Polen nicht militärisch beistanden.

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